Navigation auf uzh.ch
Die Medienberichterstattung über Unternehmen fokussiert stark auf den Finanzsektor – trotz seiner abnehmenden wirtschaftlichen Bedeutung seit 2006. Allerdings gibt es starke Unterschiede zwischen den Medientypen, wie die neue Langzeitstudie des fög in Zusammenarbeit mit commsLab AG zeigt.
Für viele Menschen sind journalistische Medien eine zentrale Quelle für Nachrichten aus der Unternehmenswelt. Die Medienberichterstattung beeinflusst, wie wir Unternehmen wahrnehmen. In den letzten 20 Jahren haben sich sowohl die Medienlandschaft und als auch die Wirtschaft in der Schweiz stark gewandelt: Im Medienbereich wurden eine wachsende Medienkonzentration, zunehmende Ressourcenschwäche und verschiedene Qualitätsdefizite beobachtet. In der Wirtschaft hat vor allem der Bankensektor an wirtschaftlicher Bedeutung eingebüsst. Der Transformationsprozess hat mit der Übernahme der Grossbank Credit Suisse durch ihre hiesige Konkurrentin UBS Anfang 2023 ihren vorläufigen Schlusspunkt erreicht.
Mit der vorliegenden Studie untersucht das fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit commsLAB AG erstmals, wie sich die Qualität und Vielfalt der Medienberichterstattung über Schweizer Unternehmen zwischen 2006 und 2023 verändert hat. Dazu wurden zum einen alle Unternehmen des Swiss Market Index (SMI) in neun reichweitenstarken Abonnementszeitungen, Boulevard- und Gratismedien sowie Wirtschaftsmedien in der Deutschschweiz und der Suisse Romande untersucht. Um auch kleinere und nicht börsennotierte Unternehmen zu berücksichtigen, wurde zum anderen die Berichterstattung über 148 bedeutende Schweizer Unternehmen analysiert.
Die Studie zeigt, dass nur bedingt ein Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Bedeutung von Unternehmen und deren medialen Beachtung besteht. Trotz abnehmender wirtschaftlicher Bedeutung behandelt über die Hälfte der untersuchten Medienbeiträge die Finanzindustrie (vgl. Grafik). Diese Resultate zeigen, dass die Vielfalt in der Unternehmensberichterstattung eingeschränkt ist. Weiter besteht eine starke Fokussierung auf Skandale, die Berichterstattung ist häufig geprägt durch Negativität und Moralisierung. Ein weiteres Defizit sind systematische blinde Flecken in Form der Unterbelichtung von wirtschaftlich relevanten Unternehmen und ganzer Sektoren. Besonders eklatant ist das Beispiel der Rohstoffhandelsunternehmen. Sie gehören zu den umsatzstärksten Schweizer Unternehmen, finden aber praktisch keine öffentliche Beachtung.
Es bestehen allerdings starke Unterschiede zwischen den Medientypen. Im Vergleich zu Abonnementszeitungen sowie Boulevard- und Gratismedien ist in spezialisierten Wirtschaftsmedien die Vielfalt höher, die Bewertung positiver und der Moralisierungsgrad tiefer. Die Resultate zeigen bezüglich Unternehmensberichterstattungen also eine Diskrepanz zwischen Medien, die sich primär an ein Fachpublikum richten, und Medien, die sich stärker an einem breiten Publikum orientieren. Angesichts dieser Befunde erhalten Diskussionen Auftrieb, die ein wachsendes Legitimationsproblem der Wirtschaft in der Bevölkerung diagnostizieren, etwa im Rahmen von wirtschaftspolitischen Abstimmungsvorlagen.
Die Studie ist Teil des Jahrbuchs Qualität der Medien 2023, das im Herbst erscheint. Sie wurde vom Stifterverein Medienqualität Schweiz mitfinanziert.
Zur gesamten Studie (PDF, 616 KB).